Die Tonus Entwicklung (Muskelspannung) hat einen physiologischen Ablauf und auch die posturale Reifung (Aufrichtung) läuft nach einem inneren, festgelegten Programm ab, sofern keine Störfaktoren von außen in diesen Prozess eingreifen.
Die Körperaufrichtung erfolgt von oben (Kopf) nach unten (Füße).
In den ersten Wochen nach der Geburt erfolgen beim Säugling nur Massenbewegungen, d.h. dass das Baby seinen ganzen Körper in unwillkürlicher Art und Weise bewegt. Beispielsweise wenn es sich freut, dann strampelt es mit Armen und Beinen wild durcheinander, ohne eine bestimmte Bewegungsrichtung anzuvisieren.
Nach der Geburt kann der Säugling bereits aus der Bauchlage heraus seinen Kopf für eine kurze Zeit eigenständig anheben. Dies ist überlebenswichtig, da das Baby sonst flach auf dem Gesicht liegen und ersticken würde. Damit der Kopf unabhängig vom Rest des Körpers bewegt werden kann, muss die freie Kopfkontrolle trainiert werden. Dies erfolgt durch die Bauchlage des Säuglings, die seine Bauch- und Rückenmuskulatur trainiert, so dass der Kopf gehalten werden kann. Liegt ein Kind vorwiegend in der Rückenlage ist hier auch schon ein Hindernis zur Integration von frühkindlichen Reflexen gelegt.
Ab dem 3. Monat ist die Kopfkontrolle soweit ausgereift, dass das Baby in den Unterarmstütz kommt. Hier sollten die Hände beim Abstützen geöffnet und nicht gefaustet sein. Gefaustete Hände weisen auf nicht integrierte frühkindliche Reflexe hin.
Ab dem 4. Monat dreht sich das Baby vom Bauch auf den Rücken und fängt an mit seinen Händen und Füßen zu spielen an. Hier sollte man drauf achten, dass es den diagonalen „Augen-Hand-Fuß-Mund Kontakt“ übt. Dies ist in der Entwicklung ein wesentlicher Schritt im körperlichen Erfahren von Grenzen und Mengen. Das Baby entdeckt, dass es 10 Zehen und Finger hat und erfährt wo sein Arm/Bein/Fuß endet.
Im 5.Monat dreht sich das Kind vom Rücken wieder auf den Bauch und beginnt sich zu rollen und gezielt fortzubewegen.
Im 6. Monat kommt das Kind in den Vierfüßlerstand – auf Händen und Knien stehend, wippt es nun hin und her um die Krabbelphase einzuleiten. Durch das Wippen und die damit einhergehende Gleichgewichtsverlagerung übt das Kind die Bewegung und den Schwung den es braucht um dann loskrabbeln zu können.
Im 7.Monat kommt das Kind vom Vierfüßlerstand in den Seitsitz, wobei es sich mit beiden Händen abstützt.
Im 8.Monat beginnt das Kind nun zu krabbeln. Diese koordinierte Bewegung ist enorm wichtig für die Verbindung der rechten und linken Gehirnhälfte. Robbt das Kind auf den Boden oder bewegt es sich halb sitzend und rutschend vorwärts oder krabbelt es im Passgang (keine Überkreuzbewegung sondern Arm/Beinbewegung jeweils auf einer Seite), so lässt das auf nicht integrierte frühkindliche Reflexe schließen die in der Zukunft die weitere Entwicklung erschweren werden.
Im 9. Monat lernt das Kind alleine zu sitzen. Aus dem Seitsitz heraus werden entweder ein oder beide Beine nach vorne gestreckt. Nun beginnt das Kind sich an Möbeln hochzuziehen und kommt so weiter in die Vertikale.
Im 12. Monat kann das Kind alleine stehen und beginnt zu laufen. Zunächst hält es sich an Tisch und Stuhlkanten fest und läuft seitwärts bis es genügend Sicherheit in Koordination und Gleichgewicht hat um frei zu laufen.
Am Ende des 2. Lebensjahres sollte die Kopfkontrolle vollständig ausgereift, denn dies ist die Grundlage für eine regelrechte Entwicklung des Kindes im sozialen und später auch schulischen Umfeld. Sollte es im ersten Lebensjahr Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung gegeben haben, so finden sie hier ihren Niederschlag. Muss der Kopf immer wieder über Kompensationsstrategien nachjustiert werden, erfordert die einen enormen Kraftaufwand, der das Kind in seiner Entwicklung behindert und so z.B. auch das Lernen sehr mühsam machen wird.
Als Tonus bezeichnet man die Grundspannung der Muskeln des Bewegungsapparates. Er ermöglicht uns eine natürliche, entspannte Grundhaltung beim Stehen oder Sitzen einzunehmen. Kommt es zu im ersten Lebensjahr zu Störungen der Entwicklung, z.B durch. zu langes Liegen auf dem Rücken, Auslassen der Krabbelphase, forciertes Laufen ( das Kind wird an beiden Armen gehalten und hängt sackgleich zwischen 2 Erwachsenen), so kommt es zu Tonus Störungen welche hyperton (zu hoch-angespannt) oder hyperton (zu niedrig-schlaff) sein können. Ist die Muskelspannung zu niedrig sackt der Mensch im Oberkörper immer wieder in sich zusammen und steht schief, ist er hyperton wird er verkrampft sitzen und stehen. Bei jeglicher Tonus Störung (hyperton/hypoton) sind die Nacken und Halsmuskeln nicht in der Lage den Kopf ohne Zuhilfenahme anderer Muskelgruppen in eine aufrechte Position zu bringen.
Es werden z.B. die Muskeln der Hüfte zur Hilfe genommen und angespannt, was auf Dauer eine Verkürzung dieser Muskelgruppen zur Folge hat. Im Laufe eines Lebens führt dies zu immer weiteren Bewegungseinschränkungen der Hüfte. Ein Yogasitz wird schwierig bis unmöglich, auch das Gangbild verändert sich demensprechend. Letztendlich verändert sich die Beanspruchung des Hüftgelenks, was dann wiederum zu einer unphysiologischen Abnutzung des Gelenkapparates führt. Auch hängen Hüfte und Kiefergelenk funktional sehr eng zusammen. Eine Verkürzung der Kiefermuskeln hat wiederum ein eingeschränktes Wachstum des Kiefers zur Folge. Da aber unser Kiefer durch die Anzahl der Zähne evolutionär auf eine bestimmte Größe angewiesen ist, fehlt es hier dann an Platz, welcher dann künstlich über das Dehnen mit einer Zahnspange oder über das Entfernen bleibender Zähne herbeigeführt werden muss.
Diese anschaulichen Beispiele zeigen auf, welchen tiefgreifenden Einfluss Entwicklungsstörungen der Motorik in den ersten zwölf Monaten des Lebens auf das weitere Leben haben. Hier gilt es die Entwicklung des Babys vom liegenden Säugling zum aufrecht gehenden Kind genau zu beobachten und zielgerichtet zu unterstützen. Sollten Unregelmäßigkeiten auftreten, gilt es diese zu analysieren und zu beheben.
Denn entgegen der landläufigen Meinung vieler Kinderärzte „wächst es sich nicht aus" sondern führt zu vielfältigen Problem, wobei die hier genannten Beispiele nur die Spitze des Eisberges aufzeichnen.